Sommerzeit – Zeit zum Umdenken

Die Frage von Führungskräften könnte lauten: Was hat die Sommerzeit mit HR-Management zu tun? Tatsächlich … sehr viel. Nur werden die Auswirkungen nicht mehr als Auswirkung der Sommerzeitumstellung wahrgenommen, da sie inzwischen von einer ganzen Generation als „normal“ angesehen werden. Übermüdung, Unkonzentriertheit bis zu BurnOut und Depression. Selten wird ein Zusammenhang mit Sommerzeit und Innerer Uhr hergestellt. Es wäre ja auch zu einfach. Was genau ist aber das schädliche an der Sommerzeit?

Historie

Jedes Jahr gibt es, zumindest in weiten Teilen Europas, zwei Stichtage, an denen die Chronobiologie-Experten in den Fokus der Medien rücken. Im März, wenn die Sommerzeit beginnt und im Oktober, wenn die Sommerzeit endet, also die Normalzeit (es gibt keine Winterzeit!) wieder fortgeführt wird. Das Interessante dabei ist, dass sich die wenigsten Menschen tatsächlich intensiv mit dem befassen, was sich rund um die Sommerzeitumstellung abspielt. Bekannt sind natürlich die Gründe, warum sie zumindest bei uns in Deutschland wieder(!) eingeführt wurde (Energieeinsparung) und bekannt ist inzwischen auch, dass sich dieses Ziel als Irrglaube erwiesen hat. Den wenigsten wird wohl bekannt sein, dass die Sommerzeit eine „Erfindung“ aus dem Ende des 19. Jahrhunderts ist. George Vernon Hudson und William Willet schlugen, unabhängig voneinander, die Einführung einer Sommerzeit vor. Im Falle von Willet sogar mit einer Verschiebung um 80 Minuten nach vorne.
Interessant ist in der Folge auch der Aspekt, dass die Sommerzeit in Deutschland vor allem zu Kriegszeiten (1916 & 1940) eingeführt, und in der jeweiligen Nachkriegszeit wieder abgeschafft wurde. Ebenfalls interessant, dass in Russland das Experiment „Sommerzeit“ zuletzt ganze 3 Jahre gehalten hat. Im Jahr 2014 ist man dann, basierend auf der mehrheitlichen Forderung des Volkes, wieder zur Normalzeit zurückgekehrt. Die ganze Geschichte der Sommerzeit ist in einschlägiger Literatur zu finden, so dass ich mir hier weitere Erläuterungen erspare.

Argumentationen

Erstaunlich ist jedoch, dass sich im Grunde hinsichtlich der Denk- und Argumentationsweise in Bezug auf die Sinnhaftigkeit bei den Befürwortern der Sommerzeit, bis heute nicht viel geändert hat. Dies, obwohl die Wissenschaft inzwischen mit erdrückenden Erkenntnissen gegen die Sommerzeit aufwarten kann. Einzig die Energieeinsparung bringen selbst härteste Sommerzeit-Fans nicht mehr an. Geändert hat sich jedoch die Marschrichtung. Der einen Gruppe ist es schlichtweg egal. Sie macht sich eher darüber lustig, wie sich doch alle über dieses Thema auslassen und sehen natürlich, sowohl bei sich selbst keine Auswirkungen, als auch in Ihrer Nachbarschaft niemanden, der darunter leidet. Die eigene Welt als Blaupause für den Rest der Gesellschaft. Dieses Verhalten kennen wir von Themen wie rauchen, essen, Auto fahren etc. und ist oft geprägte Bequemlichkeit, meistens aber eher von der Angst vor Veränderungen. Denn solange ich das Verhalten der anderen nicht ernst nehme, muss ich selbst dazu nicht erklärend Stellung beziehen. Dieses Verhalten geht mit allen Veränderungsprozessen einher, Changemangement-Berater wie auch Psychiater und Therapeuten können ein Lied davon singen.

Die zweite Gruppe ist da wesentlich konkreter. Sie fordert die Abschaffung der Normalzeit zugunsten der Sommerzeit. Die klingt im ersten Moment spannend, da das Argument „mehr Licht am Abend“ wie wir gelesen haben, ja ein bereits sehr altes, und in Sachen „wellbeing“ sehr nahe liegendes Argument zu sein scheint. Bei genauerer, wissenschaftlicher Betrachtung, zeigt sich hier jedoch ein Effekt, der, wenn man ihn sich wirklich auf der Zunge zergehen lässt, in den Jahren seit der Zeitumstellung verbrannte Erde hinterlassen haben kann.

Folgen

Dieser Effekt macht sich in Form einer künstlich erzeugten Schlafreduzierung bemerkbar. Am Beispiel der Schule: Liefe die Normalzeit weiter, würden wir unsere Schüler um 7.00 Uhr in der Schule erwarten, sie um 5.00 Uhr wecken, was wiederum 21.00 Uhr als Einschlafzeit erforderlich machen würde. Realistisch?

Das „Warum?“ ist eigentlich sehr einfach zu verstehen. Aus diesem Grunde hat Michael Wieden die Erläuterung einmal in obenstehendem Video zusammengefasst und visualisiert.

Auch Dr. Peter Spork, renomierter Autor in Sachen Epigenetik und Chronobiologie, sowie Verfechter der Normalzeit schreibt in seinem Buch „wake up“:

Das Grundprinzip ist denkbar einfach: Abendliches Licht verlangsamt das innere Tempo, es verhindert, dass wir früh müde werden. Morgendliches Licht beschleunigt die Bio-Uhren, es sorgt dafür, dass der innere Tag rascher zu Ende geht. Wird nun die Zeit eine Stunde vorgestellt, ohne dass die Sonne folgt, verschiebt sich die Balance zwischen innerer und äußerer Zeitmessung.
(Dr. Peter Spork, Bild der Wissenschaft 4/2010)

Und dies ist wissenschaftlich belegt:

In einer Studie an 55.000 Menschen stellte sich heraus, dass die inneren Rhythmen auch nach der Umstellung auf Sommerzeit vor allem der Normalzeit/Winterzeit folgen. Wir werden in Bezug zur äußeren Zeit also eine Stunde später müde als sonst – und das nicht nur am Tag nach der Zeitumstellung, sondern sehr wahrscheinlich während der gesamten 7 Monate Sommerzeit die wir in der EU haben.
(Quelle: Kantermann et al. Current Biology 2007)

Auswirkungen betreffen alle

Als Beispiel wurde in dem Video einen 17jährigen Schüler genommen. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die 35jährige Mitarbeiterin im Unternehmen xy nicht davon betroffen ist. Denn es ist keine Frage dessen was wir tun, sondern wer etwas wann tut. Natürlich kann weder ein Schulleiter noch ein Unternehmer selbst die Sommerzeit abschaffen. Da uns die Sommerzeit per Gesetz verordnet ist, sollten jedoch alle Arbeitgeber und Leiter/Träger von Bildungseinrichtungen alles in Ihrer Macht stehende tun, um die Auswirkungen auf den Mitarbeiter und Schüler zu reduzieren. In Sachen Schule hat auch der Staat einen Bildungsauftrag und dieser beinhaltet ebenfalls, dafür Sorge zu tragen, dass das vermittelte Wissen auf die bestmögliche Art und Weise vermittelt wird, und nicht auf eine Weise, die die Gesundheit der Schüler nachhaltig schädigen kann. Logischerweise müsste also zumindest diese Stunde, die in Sachen Schlaf fehlt, durch einen, mindestens eine Stunde, späteren Schulbeginn entgegengewirkt werden. Unternehmen und private Bildungseinrichtungen sind hier in der Summe flexibler, als öffentliche Schulen.

First Mover oder Nachahmer?

Neben dem Effekt der höheren Leistungsfähigkeit könnten erstere vor allem mit einem Marketingeffekt punkten, wenn es darum geht im Wettbewerb zu bestehen, den ein solcher Schritt garantiert einen positiven Effekt auf Fachkräftegewinnung.

Aus eigener Erfahrung wissen wir zudem, dass solche Maßnahmen einen hohen PR-Effekt mit sich bringen, der auch bei den Kunden ankommt. Neben den PR-Effekt steht jedoch auch der Respekt vor den Mitarbeitern und deren Gesundheit im Vordergrund. Viele Unternehmen schreiben sich CSR (Corporate Social Responsibility) auf die Fahnen, begnügen sich aber mit CC (Corporate Citizenship), das in erster Linie nach aussen gerichtet ist. Echtes CSR beinhaltet eben auch den gerade angesprochenen Respekt vor der Gesundheit des Mitarbeiters und den ehrlichen(!) Versuch, dessen Individualbedürfnissen im Unternehmen einen entsprechenden Raum zu verschaffen. Je stringenter Unternehmen dieses Ziel verfolgen, desto erfolgreicher werden Sie langfristig werden. Auch eine Möglichkeit, einen Standort attraktiver zu machen – aktive Wirtschaftsförderung.

Fazit: Eigentlich müssten alle Unternehmerinnen und Unternehmer gegen die Sommerzeit mobil machen, denn sie würden von einer erheblichen Kostensenkung profitieren, die sich auf 3 Säulen stellt:

  1. Wegfall der Kosten durch die Zeitumstellung
  2. Reduzierung der Fehlzeitenquote durch ausgeschlafenere Mitarbeiter
  3. Effizienz- und Zufriedenheitssteigerung durch ausgeschlafene Mitarbeiter

Dieses Dreigespann kann aber ausschließlich bei Rückkehr zur ständigen Normalzeit seine ganze Wirkung entfalten.

Eine Alternative hätten wir jedoch, wenn wir tatsächlich unbedingt bei der Sommerzeit bleiben wollen. Nämlich die, ab diesem Zeitpunkt sämtliche zeitbasierende Vorgänge, Arbeitszeiten, Schulbeginnzeiten etc., also wirklich alle Beginnzeiten stringent um 1h nach hinten zu verlegen – sprich Schul- und Arbeitsbeginn eine Stunde später zu realisieren. Dann wäre zumindest aus Sicht des Körpers die gleiche Ausgangssituation wie zur Normalzeit hergestellt. Allerdings wäre es dann abends auch nicht 1h „länger“ hell. Neue Strümpfe, alter Fuß.

Sommerzeit, innere Uhr, gesundes Arbeiten – Themen die zukunftsorientierte Unternehmen nicht erst dann aufnehmen, wenn sie zum Trend werden. Themen die wir auch in der Seminarreihe „ChronobiologyBased Leadership“ vermitteln.

Firstmover setzen Trends, adaptieren sie nicht. Wir unterstützen sie gerne dabei, sprechen Sie uns an.